Jeder Stein erzählt Geschichte(n)!

Zeittafel 1870-2020: Welche Organisationen waren in der Borsigstraße aktiv. © Gabriele Dekara
Chronologischer Überblick

Daueraustellung zur Geschichte

Auf 13 Tafeln beleuchtet eine Dauerausstellung die Geschichte des Hauses in der Borsigstraße 5, die von der Eröffnung des Kinderheims Zoar im Jahr 1878 bis in die Gegenwart reicht. Einen Schwerpunkt bildet die Geschichte des Sprachenkonvikts (1950-1990). Der Titel »Schutz – Freiraum – Aufbrüche« nimmt Bezug auf die verschiedenen Funktionen des Gebäudes und seine Bedeutung für die Bewohnerinnen und Bewohner. Besonders ehemalige Studierende des Sprachenkonvikts betonen immer wieder, welchen geistigen Freiraum der Ort in der DDR bot.

Konviktsgeschichte kompakt

13. Juni 2023

Himmlische Höfe

Am 13. Juni 2023 haben die Evangelische Kirchengemeinde am Weinberg, die Evangelische Studierendengemeinde Berlin (ESG) und Gemeinschaft des Theologischen Konvikts Berlin e.V. den Kooperationsvertrag für die Himmlischen Höfe unterzeichnet.

Ein quicklebendiger junger Kirchencampus im Herzen Berlins mit einem außergewöhnlich gestalteten studentischen Café als Begegnungsort, einer multifunktional nutzbaren Kirche als spirituellem Zentrum und einem innovativen Außenauftritt unter dem neu gestalteten Label »Himmlische Höfe« – das ist die gemeinsame Vision.

Der Kooperationsvertrag sieht eine enge Zusammenarbeit auf den Höfen in der Borsigstraße 5/6 vor. Die Partner streben an, „die »Himmlischen Höfe« als einen multikulturellen, religiös vielfältigen, international und akademisch geprägten Ort für junge Erwachsene und Familien zu gestalten und weiterzuentwickeln.

1. April 2018

Hilfswerk-Siedlung GmbH (HWS)

Am 1. April 2018 haben die Landeskirche und die Hilfswerk-Siedlung GmbH (HWS), ein Wohnungsbauunternehmen der Evangelischen Kirche, einen Erbbaurechtsvertrag über 60 Jahre geschlossen, der die Sanierung und die Vermietung des Hauses beinhaltet. Das Haus ist zwischen 2018 und 2021 grundlegend saniert und auf mehr als 100 Wohnheimplätze erweitert worden. Das Konviktsleben wird durch den Verein "Gemeinschaft des Theologischen Konvikts Berlin e.V." und die Stelle des Ephorus/ der Ephora sowie durch das Engagement der Bewohner_innen weitergeführt.

1991

Theologisches Konvikt

Nach der Fusion des Sprachenkonvikts mit der Kirchlichen Hochschule Berlin-West und der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität im Jahr 1991 wurde das Theologische Konvikt bis 2018 als Studierendenwohnheim in der Trägerschaft der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz betrieben.

1989

Intelektuelles Zentrum kritischen Denkens in der DDR

Dank dieses intellektuellen Freiraums und dank der innerkirchlicher Demokratie wurde das Sprachenkonvikt in den 1980er Jahren zu einer Schule der Demokratie und zu einem der intellektuellen Zentren kritischen Denkens in der DDR. So wurden etwa Wolfgang Ullmanns Vorlesungen zur Weltgeschichte auch von vielen Externen besucht, die über den marxistisch-leninistischen Tellerrand schauen wollten. Bereits Ende der 70er Jahre gründeten Markus Meckel und Martin Gutzeit den so genannten "Hegel-Kreis", der von der Staatsicherheit beobachtet wurde. Neben theologisch unabhängigen Studien bot das Haus auch Kultur- und Theaterveranstaltungen wie dem freien Theater Zinnober ein Dach. Sowohl die Initiatoren der Sozialdemokratischen Partei in der DDR (SDP), unter ihnen Martin Gutzeit und Markus Meckel, wie auch der Bürgerbewegung »Demokratie jetzt« um den Kirchenhistoriker am Sprachenkonvikt Wolfgang Ullmann waren eng mit dem Sprachenkonvikt verbunden.

13. August 1961

Eigenständige Hochschule

Durch den Mauerbau am 13. August 1961 konnte die etablierte Zusammenarbeit mit der Kirchlichen Hochschule Zehlendorf nicht fortgeführt werden. Der Ausbau zur eigenen Hochschule wurde dringend, damit Pfarrerinnen und Pfarrer ohne politischen Druck durch staatliche Stellen ausgebildet werden konnten, denn viele der Bewerberinnen und Bewerber konnten aufgrund ihrer sozialen Herkunft oder politischen Haltung nicht an staatlichen Hochschulen studieren oder nicht einmal das Abitur ablegen. Im März 1962 wurde beschlossen, dass das Sprachenkonvikt als „selbstständige akademisch-theologische Ausbildungsstätte“ weitergeführt werden sollte. In den folgenden Jahren erhielten zwischen 100 und 140 Studierende gleichzeitig am Sprachenkonvikt eine fundierte theologische Ausbildung ohne staatliche Bevormundung.

1950

Gründung des Sprachenkonvikts

1950 richtete die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg auf dem Gelände das so genannte Sprachenkonvikt ein. Dieses bestand bis zur Fusion mit der Theologischen Fakultät und der kirchlichen Hochschule Zehlendorf im Jahr 1990 an dieser Stelle. Die Landeskirche verfolgte mit der Gründung die Absicht eine Stätte freier Ausbildung für Theologinnen und Theologen in Ost-Berlin zu schaffen. Da man Aufsehen bei den politisch Verantwortlichen vermeiden wollte, wurde die Einrichtung „Sprachenkonvikt“ genannt. Der Name sollte den Behörden signalisieren, dass hier allein die alten Sprachen zur Vorbereitung auf das Theologiestudium gelernt werden. Der Lehrkörper setzte sich bis zum Mauerbau 1961 zusammen aus Professoren der Kirchlichen Hochschule Zehlendorf im Westteil der Stadt und der Theologischen Fakultät der Humboldt Universität. Ein eigenes Kollegium gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

1943

Kriegszerstörungen

Schon 1939 wurde ein Luftschutzraum in den Kellern des Gebäudes errichtet. Während des 2. Weltkrieges wurde das Gebäude teilweise zerstört. In einem Bericht vom Dezember 1943 heißt es zu den Schäden: „Von den 72 Zimmern sind völlig ausgebrannt 28 Zimmer, ferner das Musik-, Lesezimmer, Büro und die ehem. Portierloge. Die im Sophienstift stehen gebliebenen Räume sind nun nicht mehr heizbar. […] es ist das Inventar der vorstehenden Zimmer vollständig ausgebrannt […]. Da hiernach ein erheblicher Teil des Studentenheimes nicht mehr benutzbar ist, ersuchen wir um entsprechende Herabsetzung der Miete und Heizkosten.“

1941

Evangelischer Verein für soziale Zwecke

Nachfolger der Golgatha-Gemeinde als Nutzer wurde ab 1941 der "Evangelische Verein für soziale Zwecke". In einem undatierten Schreiben des Vereinsvorsitzenden Bahrfeldt aus der Nachkriegszeit heißt es zu diesem Nutzerwechsel: „Die Golgatha-Kirchengemeinde hatte seit Mitte der zwanziger Jahre das Studentenheim betrieben. Es befand sich im Frühjahr 1941 in einem derart heruntergekommenen Zustand, dass eine Fortsetzung des Betriebes nicht mehr möglich war." Die Nutzung als Studentenheim gelang allerdings auch dem Evangelischen Verein, zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht, nur teilweise.

1932

Studenteneim

In einem Studentenhandbuch aus dem Jahr 1932 heißt es: „N 4, Borsigstraße 5. Eigentum der Berliner Stadtsynode. 50 Zimmer mit 50 bis 60 Betten (es können ungefähr 10 Zimmer mit 2 Betten belegt werden). 5 Badezimmer im Hause. Monatlicher Mietpreis für Einzelzimmer 20 bis 30 RM, für zweibettige Zimmer insgesamt 38 bis 42 RM einschließlich Bedienung und Bad. Für elektrisches Licht sind 2 RM im Monat zu zahlen. Aufgenommen werden nur evangelische Männer, in den Ferien auch Akademiker anderer Konfessionen. Die Zimmer werden stets für ein ganzes Semester vermietet, in den Ferien auch tageweise für je 1,50 RM. Das Heim hat Lesezimmer, Wäscherei, kleine Bücherei, Klavier, Harmonium. Die Bewegungsfreiheit ist in keiner Weise eingeschränkt. Der Fußweg zur Universität beträgt ungefähr 15 Minuten.“

1928

Golgatha-Gemeinde

Schon 1928, also 10 Jahre vor der Auflösung des DCSV durch die Nationalsozialisten, wurde das Grundstück dem Berliner Stadtsynodalverband überschrieben. Die Gründe dafür bleiben unklar. Der Berliner Stadtsynodalverband fungierte jedoch lediglich als Besitzer und überließ die Nutzung anderen Betreibern. Die erste unentgeltliche Nutznießung erfolgte zugunsten der benachbarten Golgatha-Gemeinde ab 1928. Eine wirtschaftlich erfolgreiche Nutzung des Studentenheimes und des Hospizes scheint der Gemeinde über die Jahre indes nicht gelungen zu sein.

21.12.1920

Deutsche Christliche Studenten-Vereinigung (DCSV)

Seit 1895 war der "Verein zur Fürsorge für die weibliche Jugend" Eigentümer der Borsigstraße 5. Das wenige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg dort eingerichtete Studentenheim wurde am 21.12.1920 vom Verein für die Fürsorge für die weibliche Jugend an den Geschäftsführenden Verein der Deutschen Christlichen Studenten-Vereinigung (DCSV) übertragen.

Bahnhofsmission

Zudem war hier die erste Bahnhofsmission in Deutschland untergebracht. In der von Sophie Loesche und Johannes Burckhardt herausgegebenen Deutschen Mädchenzeitung heißt es 1883: "Die Bahnhofsmission warnt vor dem leichtisinnigen Zuzug zur Großstadt und entsendet zu den Quartalszeiten ihre Helferinnen... Auf Wunsch begleiten sie die Ratlosen an ihren Besimmungsort oder in ein Heim, halten unsaubere Elemente möglichst fern von ihnen." In der evangelischen Verbandstätigkeit für junge Frauen setzte das innovationsreiche Wirken Burckhardts damit Maßstäbe.

1882

Marienheim I

Ab 1882 wurde die Arbeit von Pfarrer Johannes Burckhardt weitergeführt und erheblich ausgeweitet. Nach Plänen von Regierungsbaumeisters Otto March entstand das Marienheim I als sozial-diakonisches Zentrum für alleinstehende Frauen mit Wohnheim, Haushaltsschule und Stellenvermittlung. Das Marienheim bot unterschiedliche Wohnmöglichkeiten an: einen Schlafsaal mit etwa 20 Betten, elf Vierbettzimmer, elf Doppelzimmer und vierzehn Einzelzimmer, insgesamt etwa 100 Plätze, deren Preise gestaffelt waren. Besonders erfolgreich war der Mittagtisch. 1893 kamen täglich rund 40-45 auswärtige Gäste hierher und erhielten ein preiswertes Mittagessen.

1878

Waisenhaus "Zoar"

1878 ließen Sophie und Adolph Loesche, ein Ehepaar aus dem Berliner Großbürgertum, das Waisenhaus „Zoar“ auf dem Gelände der Borsigstraße 5 errichten. Ihre Arbeit zielte auf die bestmögliche Ausbildung und christliche Bildung von Waisenmädchen und weiblichen Angestellten, um deren soziale Situation zu verbessern.